Afrika, das Land der Kultur?

Als ich die Holzschnitzerei in Afika-Form mit der Inschrift „Africa, the land of culture“ an einem Souvenirstand in Kumasi (zweitgrößte Stadt Ghanas, 2,5 Mio) betrachte, will ich lachen und weinen zugleich. Denn obwohl diese Äußerung so unglaublich nichtssagend ist, spiegelt sie ein Bild wieder, das bei Touristen durchaus populär ist.

Afrika, das ist das Land, in dem noch die Natur herrscht, das Land der Löwen, Zebras, Antilopen, Tiger, Elefanten und Affen.
Afrika, das bedeutet endlos ausgestreckte Savanne, einen Baum, der einsam aus der Graslandschaft ragt, und der seinen langen Schatten in das tiefe Rot der untergehenden Sonne wirft.
Afrika, wo Frauen mit freiem Oberkörper vor Holzhütten sitzen oder große Schüsseln und Eimer auf ihren Köpfen balancieren.

Afrika, das Land der Kultur.

Afrika, das bedeutet Krieg und Korruption. Rebellen, die Zivilisten mit Macheten die Hände abhacken, Kindersoldaten.
Afrika wird assoziiert mit Armut, Kindern mit aufgeblähten Bäuchen, laufender Nase und Fliegen an den Augen, Hunger und Aids.

Diese beiden Stereotypen, die uns in den westlichen Medien häufig begegnen, sind jedoch nur Teilausschnitte einer Wirklichkeit, die sich nicht zu einem einzigen Bild zusammen setzen lassen.
Der Autor Georg Brunold nennt sein Buch über die Vielschichtigkeit des afrikanischen Kontinents zurecht „Arfika gibt es nicht“. Denn Afrika lässt sich angesichts seiner Vielfalt nicht als ganzes erfassen.

Was mich überrascht, ist, dass Ghanaer oft selbst eher zu diesen Stereotypen beitragen, als sie zu zerstören. In meiner Gastfamilie ist das nicht so, denn dort lebe ich ja seit inzwischen 8 Monaten, aber auch hier bekomme ich manchmal noch Sprüche wie „This is Africa for you!“ zu hören.
Wenn man jedoch als Tourist in Ghana ist, kann man sich vor „real african culture“, „real african dances“, „african dresses“, und Postkarten mit der Aufschrift „Greetings from Africa“ kaum retten.
Würde ich in Indien ein Souvenir mit der Inschrift „Asia, the land of culture“ finden? Ich war noch nicht in Indien, aber ich glaube, ich müsste eine Weile suchen.

Auf dem afrikanischen Kontinent werden schätzungsweise 2000 verschiedene Sprachen gesprochen, und es gibt fast genauso viele eigenständige VolksgruppenAllein in Ghana gibt es neben der allgemeinen Amtssprache Englisch 9 weitere „Hauptsprachen“ mit den dazugehörigen Stämmen, nämlich Twi, Hausa, Ga, Ewe, Dagaare, Gonja, Kasem, Dagbane und Nzema. Daneben gibt es viele weitere, weniger verbreitete Sprachen und Dialekte.
Obwohl die Grenzen zwischen den Stämmen in Ghana wegen der immer größer werdenden Infrastruktur mehr und mehr verwaschen, haben auch diese Volksgruppen innerhalb Ghanas unterschiedliche Traditionen, Rituale und Religionen. Zum Beispiel ist der Norden des Landes überwiegend Muslimisch, während der Süden eher christlich geprägt ist. 

Die Bilder von Afrika, die von den Medien vermittelt werden sind also oft einseitig, und beschränken sich entweder auf das Afrika, in dem Krokodile auf Gnus lauern, oder auf jenes, welches wir aus den Nachrichten kennen und das sich auf Krieg, Krisen und Konflikte beschränkt.
Wann hört man schon politische Nachrichten aus Afrika, die nicht mit einem dieser 3 Themen zu tun haben?
Neben Staaten, in denen Bürgerkrieg herrscht, die Eliten sich bereichern und selbst elementare Infrastrukturen fehlen, gibt es aber auch Länder mit demokratisch gewählten Regierungen, und wirtschaftlichen Erfolgen. Ghana ist ein Beispiel für diese positive Entwicklung. Dort haben seit 1992 bereits viermal friedliche freie Wahlen stattgefunden, zweimal übernahm die jeweilige Opposition die Regierungsgewalt.

Mehr über das Thema „Afrikabild im Westen“ gibt es hier:


Reporter ohne Grenzen: Verzerrter Blick der westlichen Medien

Süddeutsche: Afrikabild im Westen

Und noch etwas zum selbst ausprobieren:
Stellt Eure Google-Suchmaschine auf Bildersuche, und dann probiert „Europe“, dann „Asia“, dann „Africa“.